Samstag, 24. Januar 2009
 
Wien: Brennende Barrikaden wegen Burschenschaftern PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Bernhard Redl   
Samstag, 26. Januar 2008

Der WKR-Ball erzeugte letzte Nacht erheblichen Unmut in der Stadt.

Die Wiener politische Ballsaison gestaltet sich 2008 etwas anders als erwartet: Während für heuer noch kein Aufruf zur Opernballdemo bekannt geworden ist (der Opernball ist diesen Donnerstag), dafür aber für heute, Samstag, Proteste gegen den "Liederabend" der bekannt rechtsextremen Burschenschaft Olympia angekündigt waren und wohl gerade im Gange sind, entzündete sich in der Nacht von gestern spontan der Protest gegen den 55.Ball des Wiener Korporationsringes (WKR) in der Wiener Hofburg.

Der WKR meint zwar, daß seine Ballgäste "allen drei traditionellen politischen Lagern zuzuordnen" wären, definiert sich selbst aber als „eine Arbeitsgemeinschaft der national-freiheitlichen, farbentragenden Korporationen in Wien“ zum Zwecke der „Vertretung gemeinsamer Interessen, vor allem ... in allen rein hochschulpolitischen Fragen.“ (Zitat nach aua.blosport.de)

So war es ein ganz eigenartiges Setting an diesem Freitagabend: Die auch beim DÖW gut bekannten Burschenschafter in der Hofburg, der Wiener Polizeiball im Wiener Rathaus und ein antifaschistisches Fest unter dem Motto "Rechte Verbindungen wegBASSEN!".

Denn wenn auch die Stimmung auf diesem Fest ganz gut gewesen sein soll, so wollten doch viele der Anwesenden die Revolution nicht unbedingt im Saale verbleiben lassen und man machte sich auf Richtung Hofburg. Trotz eigenen Balls waren aber noch genug Polizisten zur Stelle, um vor der Hofburg Stellung zu beziehen und so beschränkte sich der unmittelbare Protest auf den Austausch von Unfreundlichkeiten. Ein User auf Indymedia: "Die Stimmung vor der Hofburg war bedrohlich, da immer die Gefahr eines Kessels bestand. Es flogen Flaschen und Raketen gegen die Hofburg, Scheiben gingen zu Bruch, die Nazis drinnen antworteten mit dem Hitlergruß. Nach einiger Zeit ging die Spontandemo zum Ring vor und errichtete Barrikaden. Nach kurzer Zeit brannten diese auch und blockierten so den Verkehr für einige Zeit. Es wurden Absperrgitter, Bänke und anderes Zeug auf die Fahrbahn getragen. Dann ging der Weg über den Ring weiter und die Mariahilferstraße rauf. Auf dem Weg musste noch die Bank Austria dran glauben und es wurden ständig neue Barrikaden errichtet."

Da der WKR-Ball so nicht wirklich zu stören war, zogen mehrere hundert Menschen Richtung Gumpendorferstraße 149 zum Heim der Burschenschaft Olympia. Doch dort hatte die Polizei bereits gewartet. Es wurde versucht, die Demo einzukesseln, wodurch sich Kleingruppen abspalteten. Ein anderer User auf Indymedia: "Als wir dann geschlossen in einer sehr kleinen Gruppe von 20 Leuten weiter zur Olympia gehen wollten, bemerkten wir nur, daß es sinnlos wäre, weil nur noch Polizei da war und alles abgesperrt hatte! Sie sind dann noch Patrouille gefahren und wollten jeden, der nach Demonstrant ausschaute, festnehmen! Ich habe nachher noch ein paar Leute getroffen, eine Freundin wurde verletzt, weil sie die Polizei niedergetreten, niedergeknüppelt hatte. Aber das ist nicht alles: Sie wollte dann weghumpeln und dann kamen zwei Polzisten auf sie zu und haben ihr mit Erschiessen gedroht, wenn sie sich nicht gleich verpissen würde! [...] Ich weiss nur von drei Festnahmen sicher, aber ich habe von anderen Leuten gehört,dass es auf jeden Fall mehr waren!"

Kommentar: Mediale Reaktionen

Offensichtlich wird die Angelegenheit politisch sehr heruntergespielt. Der ORF berichtete kaum, auf seiner Internetpräsenz findet sich nur ein kurzer APA-Bericht. Tatsächlich dürfte ein rotschwarzer Konsens herrschen, der weder die unangemeldete Proteste noch die Präsenz von Deutschnationalen in der Hoburg thematisieren möchte. Möglicherweise liegt es daran, daß tatsächlich, wie vom WKR behauptet, auch offizielle Mitglieder von SPÖ und ÖVP am Ball waren, und eine diesbezügliche Erwähnung ihnen vielleicht unangenehm sein könnte. Was wiederum bedeuten würde, daß, wenn auch kein echter Antifaschismus, so doch ein schlechtes Gewissen mittlerweile in den Parteizentralen Raum gegriffen haben dürfte -- vor 10 Jahren wäre vor allem die ÖVP noch über "die linken Chaoten" empört gewesen und die SPÖ hätte zumindest die Legitimität des WKR-Balls betont. Dabei dürften auch Proteste der Grünen und der ÖH im Vorfeld des Balls gegen die WKR-Präsenz in der Hofburg nicht ganz unerheblich gewesen sein.

Wer kein schlechtes Gewissen hat, ist natürlich die FPÖ. Als einzige Fraktion meinte sie, diesbezüglich APA-Aussendungen zu machen. FP-Chef Strache meinte, er wäre "erschüttert" über die Proteste gegen diesen "gesellschaftlich hoch angesehen Ball". Den Regierungsparteien war die Veranstaltung, noch dazu in der Hofburg, wohl eher peinlich. Man kann zu Flaschenwürfen und Barrikaden stehen, wie man will, das beredte Schweigen von ÖVP und SPÖ ist sicher als Erfolg nicht nur der gestrigen antifaschistischen Bestrebungen anzusehen.

Quellen:
http://wien.orf.at/stories/251423/
http://www.aua.blogsport.de/
http://at.indymedia.org/node/9259
http://at.indymedia.org/node/9253

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